„Der geht grad noch für die Wurst!“
Wer solche Aussagen hört, der weiß, es geht entweder um das Alter beziehungsweise den Faserzustand/Zähigkeit eines Stückes oder um den hormonellen Status des Wildes. Anders gesagt es geht um den möglichen Verzehr und die potentiellen Verwendungsmöglichkeiten für das an sich hochqualitative Wildbret.
An welchen Parametern die Verwendbarkeit hängt ist allzu offensichtlich. Neben der Zähigkeit, die in erster Linie die Verwendung als Kurzgebratenes oder unendlich geschmort bedingt, ist der Geschmack der zweite limitierende Faktor.
Neben falscher Lagerung des Wildbrets bei der Reife, Kühlung und Aufbewahrung kann der grundsätzliche hormonelle Status den Geschmack nachhaltig beeinträchtigen.
Dies bezieht sich nicht nur auf das Wildbret sondern auch auf landwirtschaftliche Nutztierhaltung. Erhöhter Streß verursacht die Ausschüttung des Hormons Adrenalin. In Folge wird die im Muskel als Glykogen eingespeicherte Energie vermehrt verbraucht und das Fleisch wird angesäuert.
Im Laufe der Fleischreife steht es also nicht für den Glykogenabbau zur Verfügung (wir erinnern uns an den Ablauf der Fleischreife).
Der pH-Wert sinkt nicht in normalem Maße auf 5,4 bis 5,5, die Ansäuerung (die Bildung von Milchsäure) findet unzureichend statt und die Wasserbindefähigkeit lässt zu wünschen übrig, es kann wenig Fleischsaft halten. Folglich wird das Fleisch trocken, zäh, wenig aromatisch und weniger lang haltbar.
Neben diesem oftmals unterschätzten Faktor gibt es noch einen weiteren, der die Fleischqualität beeinträchtigen kann. Die Rede ist von den arteigenen Sexualhormonen und Duftdrüsen.
Wofür sind die Drüsen da?
Kommen wir kurz zu den grundlegenden Punkten.
Drüsen dienen der olfaktorischen Erkennung arteigener und artfremder Individuen, also zur
– Abwehr
– Abschreckung
– Revierabgrenzung (innerartliche Verständigung = Markierungsorgane)
– Brunftorgane
Beim männlichen Tier sind diese besonders gut entwickelt.
Neben Talgdrüsen und Brustdrüsen gibt es bei den Säugetieren ekkrine Schweißdrüsen in der Lederhaut, die für die Schweißabgabe und damit den Wärmehaushalt zuständig sind. Ebenfalls besitzen Säuger apokrine Schweißdrüsen.
Diese dienen als Duftdrüsen zur Reviermarkierung und für das Sozial- und Sexualverhalten.
So gibt es bei sowohl der männlichen als auch weiblichen Gams Brunftfeigen/Brunftrosen, die zur Gruppe der Horndrüsen gehören. Diese paarigen Drüsen direkt hinter den Krucken, dienen zur Reviermarkierung an Gräsern und Ästen und schwellen in der Brunft bis zu einer Größe von 10 x 15 cm an und sondern ein fettartiges Sekret ab.
Beim Aufbrechen sollte die Brunftfeige sofort entfernt werden, da ansonsten das Wildbret kaum noch verzehrfähig ist. Neben dieser Drüse besitzt die Gams wie viele andere Arten auch sogenannte das Zwischenschalendrüse/Zwischenklauensäckchen, welches aus einem 3 – 4 mm großen gekrümmten Schlauch besteht, der im Hautoberflächenbereich des Zwischenklauenbereiches endet und der aus Talg und Schweiß die typische Geruchsmarkierung des Trittsiegels macht.
Der Rothirsch besitzt eine Voraugendrüse/Anorbitaldrüse (in der Tränengrube = unterhalb der Lichter liegende unbehaarte Vertiefung) die ein schwarzes Drüsensekret abgeben, welches auch als Hirschträne bezeichnet wird wenn es zäh wird und aushärtet.
Darüber hinaus besitzt er eine Wedeldrüse (Luftfährte), das heißt ein bis zu 16 cm langes beim ♂und ♀ ausgebildetes pigmentiertes Hautgebilde welches 8-9 Schwanzwirbel umgibt und ein für den Menschen geruchloses Sekret abgibt.
Das Rotwild besitzt an den Hinterläufen eine Laufbürste/Metatarsalorgan (Kastanie) mit dunkler gefärbten borstigen Haaren sowie das Zwischenklauensäckchen, ebenfalls nur an den Hintergliedmaßen.
Der Rehbock besitzt eine Stirnlocke/intercornualdrüse zwischen und vor den Rosenstöcken mit denen er sein Revier aktiv markiert. Ebenso besitzt er Laufbürste/Metatarsalorgan (Kastanie) und Zwischenschalendrüse/Zwischenklauensäckchen.
Schweine besitzen drei Drüsen. Zum einen das Karpalorgan an der Vorderfußwurzel, welches zur Markierung dient, des Weiteren eine Kinn- oder Mentaldrüse, die auch Kehlwarze genannt wird sowie einen Preputialbeutel an der Vorhaut welches Schweiß und Talg absondert. An der (Rüssel-)Scheibe befinden sich Schweißdrüsen und ähnliche tubulöse Drüsen.
Doch wie beeinflussen uns diese artspezifischen Anpassungen?
Gerade im Verlauf der Fortpflanzung, der Brunft ist die Aktivität der Drüsen erhöht bedingt durch ihre Funktion im Brunftgeschehen.
Man redet hier von Brunftgeruch, Geschlechtsgeruch, Sexuallockstoffen, die vor allem bei Keiler und Rothirsch berühmt berüchtigt sind. Der Grund der verstärkten Aktivität ist die Paarung und die damit verbundene hormonelle innerartliche biochemische Kommunikation. Die an der inner- und außerartlichen Kommunikation beteiligten Komponenten können je nach Ausprägung vom Menschen durch Geruch und oder Geschmack wahrgenommen werden.
Beim Keiler werden die Sexualhormone über Speichel abgegeben oder in Leber, Niere und Fettgewebe eingelagert/gespeichert. Hier sind folgende zwei Komponenten, die sich auch additiv beeinflussen können, beteiligt:
Androstenon = urinartiger Geruch
Skatol = im hinteren Darmabschnitt, mikrobieller Tryptophanabbau (Eiweißabbau)
Einzig positives, Androstenon wird von 15 bis 30 % der Bevölkerung nicht negativ sondern eher wie der Geruch von Vanille und Honig wahrgenommen. Die restliche Bevölkerung nimmt es als Uringeruch wahr. Skatol hingegen wird von allen Menschen wahrgenommen und wird niedrigdosiert mit dem Geruch von Rosen assoziiert, weshalb es auch in Parfums vorhanden ist. Hochdosiert riecht es nach Fäkalien.
Beim Rothirsch werden die an der Brunft beteiligten Hormone vor allem über den Harn ausgeschieden und bilden vor dem Pinsel den Brunftfleck. Hier ist es das Androstendion, ein Zwischenprodukt bei der Testosteron- und Estradiolbiosynthese, welches zur Gruppe der Androgene gehört und auch beim Mensch in Nebennierenrinde und den Ovarien gebildet wird. Der Geruch wird mit Schweiß und Urin verbunden.
Bei der Gams ist es ebenfalls ein Sexualhormon, welches aus der Horndrüse – hier Brunftfeige genannt – freigesetzt wird und vom Menschen als strenger bockartiger Geruch wahrgenommen wird. Die Brunftfeige sollte unverzüglich nach dem Erlegen entfernt werden.
Lediglich der Rehbock sekretiert mit seiner Stirnlocke ein für den Menschen nicht wahrnehmbares Gemisch aus Sexualhormonen wie Androstendion, Androstandion, Dihydrotestosteron, Epiandrosteron und Androsteron.
Letztlich sind einige hormonelle Substanzen, zumal in der Brunft in erhöhten Konzentrationen, nicht durch Hitze inaktivierbar sondern der Geruch verbleibt im Wildbret. Hier „hilft“ nur eine Marinade, gegebenenfalls mit Buttermilch, den ätherischen Ölen aus Wacholder und Lorbeer oder eine Verwendung mit einer Beimischung anderer Fleischquellen um den Geruch beziehungsweise Geschmack zu „verdünnen“. Alternativ die Jagdruhe!