Die Jagd. Ein uraltes Ritual, das tief in der menschlichen Geschichte verwurzelt ist. Sie weckt in mir ein widersprüchliches Gefühl – eine Mischung aus Anziehung und Abscheu. Als Jagdgegener, der die Jagd dennoch liebt, finde ich mich in einem ständigen Konflikt zwischen zwei unversöhnlichen Polen: der Verachtung für die Grausamkeit und die Vermessenheit, mit der der Mensch die Natur zu beherrschen sucht, und der faszinierten Bewunderung für den einzigartigen Akt der Auseinandersetzung zwischen Mensch und Tier.
Es gibt Momente, in denen ich den Klang des Jagdhorns zu hören glaube, selbst wenn ich inmitten eines waldigen Nirgendwo wandere. Der erdige Geruch des Waldes, das Knacken von Zweigen unter den Füßen, das rascheln der Blätter, das scheinbar aus allen Richtungen kommt – all das ruft eine urtümliche Sehnsucht in mir hervor. Es ist eine Sehnsucht nach einem Adrenalinrausch, einer Vertrautheit mit der Natur, die so unnatürlich und gleichzeitig so natürlich wirkt. Ich verstehe die Jagd. Und doch, ein Teil von mir verabscheut sie.
Es ist diese unbändige, tief verwurzelte Liebe zur Natur, die mich die Jagd verabscheuen lässt. Ich sehe die Trophäen an den Wänden der Jäger, die stolz ihre Beute präsentieren, als wäre sie ein ruhmreicher Sieg über einen Schwächeren. Und in diesem Moment frage ich mich: Wo bleibt der Respekt? Wo bleibt das Verständnis, dass wir Gäste sind in dieser Welt, die wir nicht beherrschen sollten? Der Gedanke, dass ein Leben als „Beute“ betrachtet wird, empört mich. Es ist die Ignoranz des „Jägers“, der sich in seiner vermeintlichen Überlegenheit sonnt, der mich auf die Palme bringt. Wer gibt uns das Recht, über Leben und Tod zu entscheiden?
Und doch. Wenn ich an die Jagd denke, werde ich nicht von purem Hass erfüllt, sondern von einem zarten Gefühl, das sich wie eine dunkle Melodie in meinem Inneren ausbreitet. Denn die Jagd ist auch etwas anderes: eine Begegnung zwischen Mensch und Tier, ein unausweichliches und ungeschöntes Drama der Natur. Es ist der Moment, in dem der Mensch seine eigene Sterblichkeit spürt, ein Moment, in dem das Leben in seiner vergänglichen Schönheit und Grausamkeit greifbar wird. Und ich frage mich, ob nicht gerade diese Begegnung die wahre Bedeutung der Jagd ausmacht – nicht der Trophäe, nicht der Sieg, sondern der tiefe Respekt vor dem Leben, das genommen wird.
Die Jagd ist, so schmerzhaft es auch sein mag, ein Spiegel unserer eigenen Natur. Ein Spiegel unserer eigenen Gewaltbereitschaft, aber auch ein Spiegel der Zerbrechlichkeit unserer Existenz. Der Gedanke, dass wir uns der Natur stellen – und die Natur sich uns stellt – ist paradox und fasziniert mich gleichzeitig.
Vielleicht ist es dieser innere Konflikt, der mich an der Jagd fasziniert: Sie ist ein Akt der Gewalt, der gleichzeitig eine tiefe Verbundenheit zur Natur aufruft. Und obwohl ich den Wunsch habe, diese Traditionen zu überwinden, erkenne ich in den Jägern, trotz all ihrer Fehlschlüsse, auch etwas zutiefst Menschliches. Ein Durst nach Erkenntnis, ein Bedürfnis, sich in einer Welt, die zunehmend von Maschinen und Konsum geprägt ist, wieder mit der Ursprünglichkeit der Erde zu verbinden.
Es gibt keine einfache Antwort auf die Frage, ob die Jagd gut oder schlecht ist. Vielleicht ist sie beides. Sie ist eine brutal ehrliche Erinnerung daran, dass wir Teil eines Systems sind, das uns sowohl nährt als auch zerstört. Wir sind weder die Erben der Erde noch ihre Herrscher – wir sind Teil eines viel größeren Ganzen, und die Jagd, in ihrer dunkelsten und in ihrer erhabensten Form, ist eine Erinnerung daran.
So stehen wir da, am Rande eines Waldes, auf dem schmalen Grat zwischen Liebe und Hass. Und in diesem Moment, in der Stille, in der der Atem des Waldes das einzige Geräusch ist, das uns umgibt, fühle ich eine seltsame Anerkennung: Für das Leben. Und für den Tod.
Der Jäger, der ich nie sein werde, und doch bin.
Jana D., Jungjägerin seit 2022