Manchmal beherrschen Schlagzeilen die Titelblätter die denkbar merkwürdig sind. Die Rede ist von Neozoen, eingewanderten Arten nach 1492.
Auch in Deutschland sind manche Arten unterwegs, die exotisch anmuten, aber durchaus Potential haben, was ihre Populationsgröße und die Verbreitung angeht.
Neben Waschbär, Marderhund und Mink sind auch unbekanntere Arten dabei
- Tigermücken
- Maiswurzelbohrer
- Kartoffelkäfer
- Arg. Ameise
- Pazifische Auster
- Amerikanischer Sumpfkrebs
- Varoa-Milbe
- Bisamratte
- Nutria
- Halsbandsittich
- Pallashörnchen
- Glanzkrähe
- Chinesische Wollhandkrabbe
- Kleiner Mungo
- Nordamerikanischer Ochsenfrosch
- Chinesischer Muntjak
- Südamerikanischer Nasenbär
- Kamberkrebs
- Viril-Flusskrebs
- Schwarzkopfruderente
- Signalkrebs
- Amur-Schläfergrundel
- Marmorkrebs
- Blaubandbärbling
- Grauhörnchen
- Fuchshörnchen
- Burunduk
- Heiliger Ibis
- Nordamerikanische Buchstaben-Schmuckschildkröte
- Asiatische Gelbfuß-Hornisse
- Nilgans
- Neuseeland-Plattwurm
- Gemeiner Sonnenbarsch
- Gestreifter Korallenwels
- Hirtenmaina / Hirtenstar
- Usw………
Doch was macht diese Arten aus und warum ist ihr Auftreten brisant?
Man unterscheidet dabei die invasiven von den nicht invasiven Arten. Invasive Neozoen haben häufig einen schnellen Eintritt in die Geschlechtsreife, das heißt sie können sich schnell reproduzieren, haben oft viele Nachkommen und wenige Fressfeinde. Sie schädigen die heimische Tierwelt und verdrängen diese regelrecht.
Betrachten wir die invasiven Neophyten, so ist ein schnelles Wachstum festzustellen, eine vielschichtige Blattanordnung für eine möglichst große Lichtausbeute bei der Photosynthese sowie viele leicht luftfrachtfähige oder verbreitbare Samen.
Heimische Arten sind häufig der massiven Konkurrenz nicht gewachsen.
Welche Arten zu diesen invasiven Spezies gehören, kann in Listen des Bundesamt für Naturschutz eingesehen werden. Zudem gibt es eine Liste mit potentiell invasiven Arten, deren massives Vorkommen noch keine hinreichende wissenschaftliche Belegung besitzen und noch keine Gefährdung für die Biodiversität darstellen
Invasive Arten werden in drei Listen eingeteilt, die früher umgangssprachlich als “schwarze Liste” bezeichnet wurden. Es gibt seit 2010 eine Warnliste der Arten die sich möglicherweise in Zukunft ansiedeln werden (BfN-Skripten 331). Dabei stehen vor allem Vorsorgemaßnahmen im Fokus. Die Aktionsliste betrifft die nur kleingläubig vorkommenden Bestände und zielt darauf ab die weitere Verbreitung einzudämmen. Die Managementliste bezieht sich auf großräumig vorkommende invasive Arten.
Listen mit potentiell invasiven Arten werden in Handlungsliste und Beobachtungsliste geteilt und wurden als “graue Liste” bezeichnet. Erstere begründet dabei lokale Maßnahmen, die trotz eines ungenügenden Wissensstandes umgesetzt werden, Zweitere in erster Linie Forschung und Monitoring ohne weitergehende Handlungen.
Für potentiell invasive Arten gibt es unter den BfN- Skripten Listen zu
Gefäßpflanzen (2013, BfN-Skripten 352)
Wirbeltiere (2015, BfN-Skripten 409)
aquatische Pilze, niedere Pflanzen und wirbellose Tiere (2017, BfN-Skripten 458)
Exemplarisch haben wir drei Tiere ausgewählt deren Bestand inmitten der heimischen Tierwelt geradezu exotisch daherkommt, die aber zugegebenermaßen nicht alle das Potential zum Status einer invasiven Art haben.
Mini-Hirsche bei München
Im Mai 2021 wurde im Landkreis Fürstenfeldbruck in Esting zwischen München und Augsburg bei einem Wildunfall ein vermeintliches Reh angefahren was sich bei näherer Betrachtung dann aber als chinesisches Zwergmuntjak (Muntiacus reevesi) entpuppte.
Kurze Zeit später tauchten erste Bilder einer Wildkamera auf, auf denen auch Muntjaks zu sehen waren. Muntjakhirsche gehören zu den Cerviden, den Geweihträgern und bilden ein einfaches Geweih mit ein bis zwei Enden und einer Länge von maximal 15 cm aus. Ihr Haarkleid ist gelblich graubraun und sie sind mit einer Kopf-Rumpflänge von 70 bis 80 cm, einer Widerristhöhe von etwa 50 cm sowie einem Gewicht von 14 bis 15 kg relativ klein. Sie werden auch „barking deer“ aufgrund ihrer durchdringenden Lautäußerungen genannt und kommen ursprünglich in Ostasien vor.
Die dämmerungsaktiven territorialen Tiere sind einzelgängerisch unterwegs und ernähren sich meist pflanzlich.
Besonderes Körpermerkmal bilden ihre Eckzähne, die im Oberkiefer zu Hauern verlängert sind und in als Angriffswaffe dienen. Die Eckzähne des insgesamt 34 Zähne beinhaltendes Gebisses sind bei weiblichen Tieren etwa 1,7 cm lang, bei männlichen Tieren können sie eine Länge von beachtlichen 6 cm erreichen.
Man rechnet mit einem Lebensraum von etwa 20 bis 30 ha pro Tier.
Mit bereits einem halben Jahr sind die Tiere geschlechtsreif und es wird von einer ganzjährigen Paarungszeit berichtet. Nach 7 Monaten wird ein Jungtier gesetzt, welches etwa 4 Monate gesäugt wird und mit etwa 6 Monaten das Muttertier verlässt. Muntjaks können 13 Jahre alt werden.
Beobachtungen ließen auf einen Bestand von 5 bis 6 Tieren schließen, vermutlich aus einem Gehege entkommen oder freigelassen. Eigentlich ist über die EU Verordnung (1143/2014) die Zucht und Weitergabe dieser invasiven Art verboten. Unklar ist in Folge nach wie vor ob Entnahmen, anders Abschüsse von Muntjaks durch eine Allgemeinverfügung auf Grundlage des §40a Bundesnaturschutzgesetz freigegeben werden können oder ob Einzelschiesserlaubnisse beantragt werden müssen.
Wallaby bei Augsburg
2019 wurde erstmals in den Westlichen Wäldern bei Augsburg in den südlichen Stauden ein Känguruh gesichtet. Weitere Sichtungen in 2021 und 2022 bestätigten das Vorkommen eines – bisher noch einzelnen – Bennet-Känguruh (Notamacropus rufogriseus).
Diese Art wird auch Rotnackenwallaby genannt und kommt eigentlich im östlichen Australien vor.
Mit einer Kopf-Rumpflänge von etwa 92 bis 105 cm und einem Gewicht von 14 bis 19 kg ist das Wallaby ein mittelgroßer Vertreter der Känguruhs. Die meist dämmerungsaktiven Tiere besitzen ein graubraunes Fell und ernähren sich pflanzlich von Gräsern, Blättern und Wurzeln. Je nach Region ist die Fortpflanzung in Australien ganzjährig oder in Tasmanien auf zwei Monate im ersten Quartal beschränkt. Tragzeit sind 30 Tage mit einem darauf folgenden Beutelaufenthalt von 9 Monaten.
In Mecklenburg-Vorpommern ist ein wachsender Bestand vorhanden der sich durch den Ausbruch aus einem Gehege zurückverfolgen ließ. In Frankreich gibt es in der Nähe von Paris einen Bestand von mehr als 100 Tieren, ebenfalls durch einen Gehege-Ausbruch entstanden.
Was das bayrische Wallaby angeht ist der Ursprung unklar. 138 Wallaby-Halter sind allein in Deutschland gelistet.
Nandus in Mecklenburg-Vorpommern
Vermutlich zwischen den 90 er Jahren bis 2008 flüchteten mehrere Nandus (Rhea americana) aus einem Gehege in der Nähe von Lübeck in Schleswig-Holstein und siedelten sich in einem Gebiet im westlichen Mecklenburg-Vorpommern an. Diese grauen eigentlich südamerikanischen Laufvögel mit großer Ähnlichkeit zum Strauß haben eine Rückenhöhe von 1m, eine Scheitelhöhe von 125 bis 140 cm und ein Gewicht von etwa 20 bis 25 kg. Diese Pflanzenfresser können bis zu 60 km/h schnell werden.
Bereits im Jahr 2018 war der Bestand auf 566 Tiere angewachsen. Nachdem die Schäden im Feld gerade bei Raps und Getreide massiv in die Höhe schossen wurde der Bestand mittels Bejagung durch Sondergenehmigung bis 2021 auf 300 Tiere begrenzt.
Die Tiere werden als nicht invasiv eingestuft und sind besonders geschützt. Sie sind aber auf der “grauen” Liste aufgeführt, das heißt potentiell invasiv und möglicherweise gefährdend für Bodenbrüter und Bodenfauna. Seit März 2020 ist der Nandu in Mecklenburg-Vorpommern ins Jagdrecht aufgenommen, eine Jagdzeit besteht seitdem für Küken und Jährlinge ganzjährig sowie für Hähne und Hennen ab dem Alter von 2 Jahren vom 1. November bis 31. März. (Verordnung zur Änderung der Jagdzeiten § 1 Ausnahmen von der Jagdzeitenverordnung des Bundes)
Gerade im Hinblick auf Zucht seltener Arten, Handel und veränderte klimatische Gegebenheiten ist das Auftreten mancher Art vorherzusehen beziehungsweise verwundert es nicht, wenn diese auftaucht. Bedenklich wird es bei Arten wie Tigermücke oder Hyalomma-Zecke, die im Gepäck Krankheitserreger haben, die bisher wenig Fuß fassen konnten. Das massive Auftreten und der fehlende Konkurrenzdruck ist oftmals fatal und vielen schlichtweg nicht bewusst oder gänzlich unbekannt. Um so wichtiger wird es in der Zukunft werden über diese Arten Kenntnis zu haben und zu informieren, denn Arten wie der Eichenprozessionsspinner oder der große Bärenklau/Herkulesstaude bergen weitere Risiken für Mensch und Tier. Und das nicht erst seit gestern sondern bereits seit 1815!