Am 26. April 2023 wurde im Ministerialblatt BayMBl. 2023 Nr. 201 die am 25. April beschlossene Bayerische Wolfsverordnung (BayWolfV) veröffentlicht, die am 01. Mai in Kraft trat.
Vorangegangen waren zahlreiche meist polarisierende Diskussionen über den aktuellen Wolfsbestand, Rissmeldungen und Präventivmaßnahmen zur Schadensbegrenzung bei betroffenen Nutztierhaltern.
Welchen Status hat der Wolf in der Gesetzeslage?
Der Wolf ist bisher durch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) über §44 und die Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinien 92/43/EWG Anhang IV streng geschützt und über die Bundesartenschutzverordnung (BartSchVO) Anlage 1 besonders geschützt. Das heißt er unterliegt wie viele andere Säuger zahlreichen Zugriffsverboten.
Dieser Schutzstatus konnte bisher nur in Einzelfällen bei Vorliegen von potentiellen wirtschaftlichen Schäden außer Kraft gesetzt werden.
„BNatSchG § 45 Ausnahmen; Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen
[…]
Eine Ausnahme darf nur zugelassen werden, wenn zumutbare Alternativen nicht gegeben sind und sich der Erhaltungszustand der Populationen einer Art nicht verschlechtert, soweit nicht Artikel 16 Absatz 1 der Richtlinie 92/43/EWG weiter gehende Anforderungen enthält. Artikel 16 Absatz 3 der Richtlinie 92/43/EWG und Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie 2009/147/EG sind zu beachten. Die Landesregierungen können Ausnahmen auch allgemein durch Rechtsverordnung zulassen. Sie können die Ermächtigung nach Satz 4 durch Rechtsverordnung auf andere Landesbehörden übertragen.“
(7) Die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden sowie im Fall des Verbringens aus dem Ausland das Bundesamt für Naturschutz können von den Verboten des § 44 im Einzelfall weitere Ausnahmen zulassen1. zur Abwendung ernster land-, forst-, fischerei oder wasserwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden,
2. zum Schutz der natürlich vorkommenden Tier- und Pflanzenwelt,
3. für Zwecke der Forschung, Lehre, Bildung oder Wiederansiedlung oder diesen Zwecken dienende Maßnahmen der Aufzucht oder künstlichen Vermehrung,
4. im Interesse der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung und des Schutzes der Zivilbevölkerung, oder der maßgeblich günstigen Auswirkungen auf die Umwelt oder
5. aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.
Das BNatSchG hat im Paragraph § 45a den Umgang mit dem Wolf reglementiert.
„(1) Das Füttern und Anlocken mit Futter von wildlebenden Exemplaren der Art Wolf (Canis lupus) ist verboten. Ausgenommen sind Maßnahmen der für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörde. § 45 Absatz 5 findet keine Anwendung.
(2) § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 gilt mit der Maßgabe, dass, wenn Schäden bei Nutztierrissen keinem bestimmten Wolf eines Rudels zugeordnet worden sind, der Abschuss von einzelnen Mitgliedern des Wolfsrudels in engem räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit bereits eingetretenen Rissereignissen auch ohne Zuordnung der Schäden zu einem bestimmten Einzeltier bis zum Ausbleiben von Schäden fortgeführt werden darf. Ernste wirtschaftliche Schäden im Sinne von § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 1 können auch drohen, wenn ein Wolf nicht landwirtschaftlich gehaltene Weidetiere reißt, soweit diese durch zumutbare Herdenschutzmaßnahmen geschützt waren. Die in Satz 1 geregelte Möglichkeit des Abschusses weiterer Wölfe gilt auch für Entnahmen im Interesse der Gesundheit des Menschen nach § 45 Absatz 7 Satz 1 Nummer 4. Die Anforderungen des § 45 Absatz 7 Satz 2 und 3 sind zu beachten.
(3) Vorkommen von Hybriden zwischen Wolf und Hund (Wolfshybriden) in der freien Natur sind durch die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde zu entnehmen; die Verbote des § 44 Absatz 1 Nummer 1 gelten insoweit nicht.
(4) Bei der Bestimmung von geeigneten Personen, die eine Entnahme von Wölfen nach Erteilung einer Ausnahme gemäß § 45 Absatz 7, auch in Verbindung mit Absatz 2, sowie nach Absatz 3 durchführen, berücksichtigt die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde nach Möglichkeit die Jagdausübungsberechtigten, soweit diese ihr Einverständnis hierzu erteilen. Erfolgt die Entnahme nicht durch die Jagdausübungsberechtigten, sind die Maßnahmen zur Durchführung der Entnahme durch die Jagdausübungsberechtigten zu dulden. Die Jagdausübungsberechtigten sind in geeigneter Weise vor Beginn über Maßnahmen zur Entnahme zu benachrichtigen; ihnen ist nach Möglichkeit Gelegenheit zur Unterstützung bei der Durchführung der Entnahme zu geben. Bei Gefahr im Verzug bedarf es der vorherigen Benachrichtigung nach Satz 3 nicht.“
Ansiedlung und Populationsgröße in Deutschland
Nachdem seit etwa 1850 Deutschland als wolfsfrei galt siedelten sich um 1996 erstmals wieder Wölfe an die über ein Wolfsmonitoring im Jahr 2019/2020 auf einen Bestand von 128 Rudeln, 35 Paaren sowie einigen Einzeltieren anwuchsen.
Durch das Populationswachstum mit etwa einer erreichten Geschlechtsreife in etwa 2 Jahren und einem Wurf von 4 bis 6 Tieren sowie einer benötigten Reviergröße von 10000 bis 35000 ha sind gerade männliche Jungwölfe auf der Suche nach geeigneten neuen Lebensräumen und können dabei pro Nacht 20 bis 80 km zurücklegen. Passt der Lebensraum siedeln sich die Tiere dauerhaft an und sind dann als standorttreu anzusehen. Je nach Nahrungsangebot nutzen sie auch manchmal kleinere Reviere wenn ausreichend Nahrung vorhanden ist.
Vielfältiges Nahrungsspektrum
Das Nahrungsspektrum des Wolfes ist vielfältig, kleine bis zu große Säuger sowie Aas stehen auf seinem Speiseplan wobei der Wolf wie die meisten Arten dabei möglichst energiesparend an seine Beute kommen mag. Beutegreifer verbrauchen durch ihr Nahrungsspektrum durch die aktive Jagd auf andere Tiere meist viel Energie – Schalenwild wie zum Beispiel Reh welches sich von Knospen, Blättern, Gräsern ernährt verbraucht vergleichsweise wesentlich weniger.
So nimmt der Wolf zuerst junge unerfahrene und kleine Tiere, alte und schwache sowie kranke Tiere zuerst an. Sein bisheriges Spektrum sind Rehwild, Schwarzwild, Rotwild, Schafe, Rinder, Pferde und Ziegen. Mit einem Gewicht zwischen 22 bis 47 kg und einer Widerristhöhe von bis zu 90 cm sucht er sich seine Beute je nachdem wie er unterwegs ist – allein oder im Rudel – nach dem möglichst geringen Energieverbrauch aus.
Neue Bayerische Wolfsverordnung
Die neue Bayerische Wolfsverordnung sieht es nun vor, den Wolf unter gegebenen Umständen nachzustellen, ihn zu fangen, zu vergrämen oder zu erlegen, dies allerdings nur, wenn es keine zumutbare Alternative gibt.
So heißt es am „ 25. April 2023
Auf Grund des § 45 Abs. 7 Satz 4 und 5 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542), das zuletzt durch Art. 3 des Gesetzes vom 8. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2240) geändert worden ist, verordnet die Bayerische Staatsregierung:
§ 1 Schutz des Menschen und der öffentlichen Sicherheit
(1) 1 Im Interesse der Gesundheit des Menschen und der öffentlichen Sicherheit wird nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze gestattet, Wölfen (Canis lupus) nachzustellen, sie zu fangen, zu vergrämen oder mit einer geeigneten Schusswaffe zu töten, soweit es keine zumutbare Alternative gibt.“ Zumutbare Alternativen werden nicht weiter definiert.
Voraussetzungen für Nachstellen/Vergrämen/Fangen/Erlegen
Eine weiterer Zusatz dazu lautet „2 Voraussetzung ist ferner, dass sich der Erhaltungszustand der Population nicht verschlechtert und die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindert wird.“
Der Wolf darf gefangen/nachgestellt/vergrämt/erlegt werden – wenn vorherige Vergrämungsmaßnahmen erfolglos bleiben – unter folgenden Voraussetzungen:
„(2) 1 Unter Berücksichtigung von § 45a Abs. 2 Satz 3 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) gefährden Wölfe die Gesundheit des Menschen oder die öffentliche Sicherheit insbesondere dann, wenn sie
1. sich mehrfach Menschen außerhalb von Fahrzeugen auf unter 30 m nähern,
2. mehrfach die Annäherung von Menschen auf unter 30 m tolerieren,
3. über mehrere Tage in einem Umkreis von weniger als 200 m von geschlossenen Ortschaften oder von dem Menschen genutzten Gebäuden oder Stallungen gesehen werden,
4. Menschen trotz Vertreibungsversuchen folgen,
5. sich Menschen in geschlossenen Ortschaften annähern und nur schwer vertrieben werden können,
6. Hunde in geschlossenen Ortschaften oder in von Menschen genutzten Gebäuden oder Stallungen töten,
7. sich Menschen mit Hunden annähern und dabei ein aggressives Verhalten zeigen oder
8. unprovoziert aggressiv auf Menschen reagieren.
2Eine Entnahme ist im Rahmen des Satz 1 Nr. 1 bis 3 nur zulässig, wenn eine Vergrämung nicht möglich erscheint oder voraussichtlich erfolglos bleibt.
3Maßnahmen nach Abs.1 können gegen einen Wolf gerichtet werden, der in räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit einem der in Satz 1 genannten Ereignisse angetroffen wird.“
Zuständigkeiten
Wie auch schon beim Biber und seiner Artenschutzrechtlichen Ausnahmeverordnung (AAV) ist die untere Naturschutzbehörde (UNB) zuständig, wenn es um die Genehmigung einer möglichen Maßnahme geht. Diese wird auch durch die UNB bestimmt, ebenso wie die Personen, die mit der Durchführung betreut werden. Es obliegt also jedem Landratsamt nun künftig selbst zu entscheiden, ob und falls ja welche Maßnahmen ergriffen werden.
„(3) 1 Hält die untere Naturschutzbehörde die obigen Voraussetzungen für gegeben, bestimmt sie unverzüglich die zu ergreifenden Maßnahmen und die zur Ausführung geeigneten und berechtigten Personen. 2 Zuständig ist die untere Naturschutzbehörde, in deren Gebiet das in Abs. 2 Satz 1 genannte Ereignis stattgefunden hat.“
Wirtschaftliche Schäden
Zur Abwendung wirtschaftlicher Schäden mit anderen Worten den Schäden der Nutztierhalter heisst es
„§ 2 Abwendung ernster wirtschaftlicher Schäden
(1) 1 Zur Abwendung ernster landwirtschaftlicher oder sonstiger ernster wirtschaftlicher Schäden wird nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze gestattet, Wölfen nachzustellen, sie zu fangen, zu vergrämen oder mit einer geeigneten Schusswaffe zu töten, soweit es keine zumutbare Alternative gibt. 2 Voraussetzung ist ferner, dass sich der Erhaltungszustand der Population nicht verschlechtert und die Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands nicht behindert wird.“
Im Gegensatz zum Biber ist hier das Wort „erheblich“ durch „ernst“ ersetzt, wenn es um den potentiellen Ausmaß der Schäden geht. Was „ernst“ in diesem Zusammenhang bedeutet ist nicht ersichtlich. Dabei wird differenziert, wo der Schaden auftritt. Tritt dieser in nicht schützbaren Weidegebieten auf, sprich zum Beispiel in extremen Hanglagen, so ist ein möglicher Eingriff im Sinne von nachstellen/fangen/vergrämen/erlegen eher gegeben als ich anderen Bereichen.
„(2) 1 Die Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 sind unter Berücksichtigung des § 45a Abs. 2 BNatSchG insbesondere gegeben, wenn Wölfe in nicht schützbaren Weidegebieten ein Nutztier oder einen Equiden verletzen oder töten.
2 Maßnahmen nach Satz 1 können gegen einen Wolf gerichtet werden, der in räumlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem betreffenden Ereignis angetroffen wird.“
Unzumutbarkeit?
Es wird definiert das nicht schützbare Weidegebiete Gebiete sind, in denen Schutzmaßnahmen unmöglich oder unzumutbar sind. Der Begriff der Unzumutbarkeit kann jedoch subjektiv und individuell sehr unterschiedlich sein.
„(3) 1 Nicht schützbare Weidegebiete sind Gebiete, bei denen ein Herdenschutz entweder nicht möglich oder nicht zumutbar ist.“
Als Alternativen zum nachstellen/fangen/vergrämen/erlegen wird eine Behirtung des Nutztierbestandes sowie nächtliche Einstallung oder Unterbringung in einem Nachtpferch welcher wolfsabweisend ist angesehen. Ist dies nicht möglich gilt der gleiche Grundsatz wie bei unschützbarem Weidegebiet.
„2 Nicht zumutbar zäunbare naturräumliche Untereinheiten, für die die untere Naturschutzbehörde festgestellt hat, dass die Alternative der Behirtung in Verbindung mit einer nächtlichen Einstallung oder Unterbringung in einem wolfsabweisenden Nachtpferch nicht zumutbar ist, stehen nicht schützbaren Weidegebieten gleich.“
Weitere Definitionen werden zukünftig folgen
Eine weitere Definition der nicht schützbaren Gebiete sowie der unzumutbar zäunbaren Untereinheiten wird künftig über das STMUV per Rechtsverordnung erfolgen. Der Einsatz von Herdenschutzhunden taucht in der Verordnung nicht auf, es bleibt jedoch weiter abzuwarten ob diese Möglichkeit auch in den Maßnahmenkatalog der zumutbaren Alternativen gelangt.
„3 Die Ermächtigung nach § 45 Abs. 7 Satz 4 BNatSchG wird insoweit auf das Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz (Staatsministerium) übertragen, als dieses ermächtigt wird, die nicht schützbaren Weidegebiete nach Satz 1 und die nicht zumutbar zäunbaren naturräumlichen Untereinheiten nach Satz 2 durch Rechtsverordnung festzulegen.
(4) 1 Hält die untere Naturschutzbehörde die obigen Voraussetzungen für gegeben, bestimmt sie die zu ergreifenden Maßnahmen und die zur Ausführung geeigneten und berechtigten Personen. 2§ 1 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.“
Mitteilungspflicht und Verbleib der entnommenen Wölfe
Jede getätigte Maßnahme ist dann unverzüglich der Behörde bzw. dem STMUV mitzuteilen und die Wölfe des Landesamt für Umwelt zur Verfügung zu stellen.
„§ 3 Mitteilungspflicht, Beweissicherung
(1) Sämtliche Maßnahmen einschließlich Maßnahmeort, -datum und -methode sowie die ausführende Person oder die ausführende beauftragte Gruppe sind unverzüglich dem Staatsministerium sowie der genehmigenden Kreisverwaltungsbehörde mitzuteilen.
(2) Die auf Grundlage dieser Verordnung getöteten Wölfe sind dem Landesamt für Umwelt zur Verfügung zu stellen.“
Proben und Analysen
Bisherige DNA-Analysen vor einer gesondert beantragten Entnahme fallen nun weg, zukünftig wird nachträglich eine DNA-Analyse durchgeführt. Für eine Entschädigung eines geschädigten Nutztierhalters ist dennoch nach wie vor eine DNA-Analyse bzw. eine Beprobung durch amtlich bestellte Gutachter notwendig. Eigene Probennnahmen sind unzulässig.
Auf der Seite des LfU Meldung von Hinweisen auf Wolf, Luchs oder Bär – LfU Bayern heisst es dazu „Begutachtungen durch andere Personen werden bei der Bewertung des Ereignisses in Hinblick auf mögliche Schadensersatzansprüche, die Erfassung im Monitoring, die Ausweisung von Förderkulissen oder als Grundlage für etwaige Entnahmeverfahren grundsätzlich nicht berücksichtigt. Bei Feststellung von Manipulationen des Fundorts, beispielsweise durch vorangegangene Parallelbeprobung, haben die amtlich bestellten Gutachter das Recht, die weitere Untersuchung abzubrechen. Der Fall gilt dann als nicht bestätigter Hinweis. Diese Vorgehensweise ist notwendig, um eine einheitliche, fachlich hochwertige und mit anderen Ereignissen vergleichbare Begutachtung zu gewährleisten.“
Aussichten
Es bleibt also abzuwarten ob die Wolfsverordnung des gewünschten Effekt hat oder sich als schwer umzusetzen herausstellt. Die UNB soll und kann nun je nach Fallkonstellation Genehmigungen inklusive der Durchführung erteilen, was vermutlich nicht immer einheitlich erfolgen wird. Ob es dafür ähnlich wie bei Kormoran, Biber und co. Berater und Manager geben wird ist noch nicht öffentlich bekannt.