Grober Zusammenschnitt des Themas “Wildfütterungen oder auch was man alles verkehrt machen kann…..”
In vielen bayrischen Revieren wird im Winter gefüttert. Futtermittel liegen in großen Haufen an gut erreichbaren Rändern von Waldwegen, teilweise gefroren, mache Fütterung ist tagelang verwaist, in anderen liegt vor sich hin schimmelndes Futter.
Laut dem ersten Paragraph des Bundesjagdgesetzes (BJG) sind wir zur Hege verpflichtet. „Die Hege hat zum Ziel die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepaßten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen […]“
Neben der gesetzlichen Grundlage wird versucht saisonale Nahrungsengpässen entgegenzuwirken, möglichen Verbiss zu minimieren, das Wild zu lenken, als auch am Futterplatz zu konzentrieren.
Fütterungen an trockenen, windgeschützten, sonnigen, möglichst ruhigen zugleich aber auch gut erreichbaren Orten können angelegt werden.
Weiter heisst es dazu im bayrischen Jagdgesetz (BayJG) Art. 43 zur natürliche Äsung und Fütterung des Wildes, dass „Der Schutz und die Pflege der natürlichen Lebensgrundlagen des Wildes sind Aufgabe des Revierinhabers, der im Einvernehmen mit den Grundstückseigentümern oder Nutzungsberechtigten durch Maßnahmen der Reviergestaltung und Äsungsverbesserung die Voraussetzungen dafür schaffen soll, daß das Wild auch in der vegetationsarmen Zeit natürliche Äsung findet.[…] Durch die Fütterung des Wildes darf die Verwirklichung des Hegeziels nicht gefährdet werden.[…] Der Revierinhaber ist verpflichtet, in der Notzeit für angemessene Wildfütterung zu sorgen und die dazu erforderlichen Fütterungsanlagen zu unterhalten.[…]“.
Dazu heisst es auch in der Ausführungsverordnung des BayJG zum Thema missbräuchliche Wildfütterungen in § 23a „[…] Mißbräuchlich ist eine Wildfütterung, durch die das Hegeziel (§ 1 Abs. 2 BJagdG) gefährdet wird. Eine solche kann im Regelfall angenommen werden, wenn
1. Futtermittel ausgebracht werden, die nach Zusammensetzung, Qualität oder Menge den ernährungsphysiologischen Bedürfnissen der jeweiligen Wildart nicht entsprechen,
2. Schalenwild außerhalb der Notzeit gefüttert wird; ausgenommen hiervon sind Ablenkungsmaßnahmen für Schwarzwild, oder
3. Schalenwild in oder im unmittelbar räumlichen Zusammenhang mit Schutzwäldern nach Art. 10 Abs. 1 des Waldgesetzes für Bayern gefüttert und dadurch die Schutzfunktion des Waldes beeinträchtigt oder gefährdet wird.“
An dieser Stelle streiten sich bekanntermaßen viele Gemüter. Was definiert eine Notzeit? Was macht es notwendig zu füttern?
Grundsätzlich und um es abzukürzen kann man sagen das örtliche und jahreszeitlich bedingte Nahrungsengpässe eine Notzeit verursachen. Situationsbedingt ist zu entscheiden, je nach Verfügbarkeit der natürlich vorhandenen Äsungsmittel und dem aktuellen Nährstoffbedarf des Wildes ob eine solche vorliegt.
Dabei ist gewissenhaft und logischerweise auch artgerecht vorzugehen. Neben der grundsätzlichen Verbesserung des Lebensraumes durch wildfreundlich gestaltete Äsungsflächen, Wildacker, Zwischenfruchtanbau, Gehölzrückschnitt und Bevorzugung eines Mischwaldes sind geeignete Fütterungs- und Futterarten zu eruieren.
Welche Tierart will ich erreichen? Was liegt vor?
Gehen wir von Rehwild aus. Rehwild als Wiederkäuer ist ein Konzentratselektierer. Wiederkäuer, wir erinnern uns besitzen mehr als einen dem Verdau zugerechneten Magen.
Als Vormägen und der Speiseröhre zugerechnet hat es den Pansen, auch Zottenmagen/Rumen genannt. Diese Sammel- und Gärkammer besitzt als Auskleidung sogenannte Zotten, Ausstülpungen der Schleimhaut die wie Härchen in den Innenraum ragen. Hier werden hochkettige Fettsäuren resorbiert. Je nach Tierart sind diese Zotten spezifisch ausgeformt.
Dem Pansen folgt der Netzmagen, auch Haube/Retikulum genannt. Der Netzmagen besitzt eine netzartige Schleimhautinnenauskleidung und ist vor allem für die Größenselektion der Futterpartikel zuständig.
Dem folgt der Blättermagen, auch Psalter/Buch genannt mit unterschiedlich großen Schleimhaut-Falten zur mechanischen Verkleinerung sowie zum auspressen der Flüssigkeit aus dem Nahrungsbrei.
Als eigentlicher Magen folgt dann der Labmagen, ein Drüsenmagen in dem die chemische Verdauung durch das enzymatische Pepsin und Salzsäure stattfindet. Im Dünn- und Dickdarm werden die Nährstoffe nun resorbiert, aufgeschlossen, Flüssigkeit entfernt und die Reste je nach Tierart durch das Schleimhautrelief ausgeformt (siehe auch unterschiedliche Losungsformen).
So viel zum Aufbau des grundsätzlichen Wiederkäuermagens.
Bezüglich des Rehwildes ist zu sagen das es eine große Kopfspeicheldrüse hat, viele kurze Äsungsperioden aufgrund der hohen Stoffwechselleistung benötigt.
Der verhältnismäßig kleine Pansen benötigt viel nährstoffreiche Nahrung, die einen geringen Zelluloseanteil besitzt (etwa 14-16 % Rohfaser) und leicht verdaulich sein sollte. Rehwild hat viele kurze Äsungsperioden in denen es saftreiche Nahrung zu sich nimmt und ebenso viele Phasen des Wiederkäuens.
Im Winter und allgemein kälteren oder nahrungsärmeren Perioden stellt sich der Organismus der Tiere auf die reduzierte Zufuhr an Nahrungsmitteln ein.
Es finden physiologische Anpassungen statt, die Form der Zotten verändert sich, das Volumen der Schleimhautoberfläche wird durch eine Zottenverkürzung reduziert und auch die Zottenanzahl sinkt. Der Stoffwechsel verlangsamt sich, Energie wird gespart, eine geringe Bewegungsaktivität folgt.
Die Pansenzottenlänge als auch Resorptionsfläche verändert sich also je nach Verfügbarkeit der Nährstoffe. Diese Anpassungen dauern im Pansen etwa 2-3 Wochen, der Zottenumbau nimmt meist noch etwas mehr Zeit in Anspruch.
Der Winter naht, der Stoffwechsel wird verlangsamt, noch haben die Tiere Äsungsmöglichkeiten aber in deutlich reduziertem Umfang. Die Struktur des Pansens hat sich verändert. Gehen wir nun also von einem Äsungsengpass aus.
Es fängt an zu schneien, Bodenfrost liegt täglich vor.
Der Jagdausübungsberechtigte deklariert eine Notzeit und fängt an zu füttern – in geringem Ausmaß und vor allem nicht abrupt. Denn der Pansen ist nicht auf die Energie- und Kohlenhydratmasse angepasst, die ihm möglicherweise gutmütig zur Verfügung gestellt werden. Der Pansen muss sich auch auf diese Situation wieder einstellen.
Was kann alles schief gehen?
Kurzum, vieles.
Zum einen kann das falsche Futter ausgewählt werden. Rehe als Konzentratselektierer benötigen ein Futter was reich an löslichen Nährstoffen und mit geringem Zelluloseanteil ist.
Füttert man nun also ein Kraftfutter resultiert eine Überversorgung an Energie und gleichzeitig eine Unterversorgung an Rohfasern. Die Nahrung wird im Magen schnell abgebaut, das Wiederkäuen ist reduziert, Fettsäuren sammeln sich an, der Magen übersäuert (Pansenacidose). Schleimhäute als auch natürlich vorkommende Bakterien werden durch den sinkenden pH-Wert angegriffen. Zentralnervöse Störungen können aufgrund gebildeter Bakteriengifte auftreten wie Fressunlust, Zähneknirschen, Lahmheit, Festliegen bis hin zum Koma.
Bei langanhaltender Acidose kommt es zu einem chronischen Verlauf. Dauerhafte Entzündungen des Magens, Abszesse der Leber, Kalziummangel, erhöhte Infektionsanfälligkeit durch ein geschwächtes Immunsystem können die Folge sein.
Ebenso können Futterarten mit zu hohem Eiweissanteil den Organismus schädigen. Leber und Nieren leiden ab Eiweissgehalten von über 21%. Es kann eine Pansenfäulnis/Pansenalkalose folgen, der pH-Wert wird zu basisch, die Tiere blähen auf. Durchfall, verminderte Nahrungsaufnahme, Durchfall bis hin zu Krämpfen und zentralnervösen Störungen können auftreten.
Wird das Futter falsch am Boden gereicht, sind die hygienischen Umstände schlecht oder ist das Futter verdorben hat das Folgen auf das Tier.
Verpilztes Futter kann Mycotoxinvergiftungen hervorrufen, Fruchtbarkeit mindern.
Verfaultes Futter kann ebenfalls zur Pansenalkalose führen.
Ist die Qualität des Futters gering, die Lagerung anfällig für Schädlinge und Keime, so kann es zur Schwäche, Abmagerung, Durchfall, erhöhter Anfälligkeit für Parasiten und folgend auch mehr Fallwild führen.
Bevor man also mit dem Füttern beginnt sollte man sich im Klaren über Inhaltstoffe, verfügbare Energie- und Kohlehydratanteile, Eiweissmengen und die Verdaulichkeit des Ganzen machen.
Das vielfach verwendete silierte Futter birgt auch seine möglichen Fehlerquellen. Futter mit einer Trockenmasse bis zu 30-40% ist noch silierbar, Mengen darüber tendieren bereits zum Verpilzen. Saftfutter wie Trester fault bei falscher Lagerung oder es findet eine alkoholische Nachgärung statt wodurch der Alkoholgehalt stark erhöht wird. Das Futter verdirbt bei leicht erhöhten Temperaturen schnell und führt zu Verdauungsstörungen. Zu viel Trester führt zu Durchfall und Abmagerung. Als alleiniges Futtermittel erhöht Apfeltrester vermutlich sogar den Verbiss. Bei Sauerstoffzufuhr der silierten Masse bietet der Trester Brutraum für Enterobakterien und es entsteht vermehrt Essigsäure.
Zu nasses Futter gefriert, zu lange liegendes und vielleicht verschmähtes Futter verdirbt an Ort und Stelle und birgt neue Gefahren. Neben falschem Futter besteht also auch die Gefahr von verdorbenem und/oder auch schnell verderblichem Futter. Regelmäßige Reinigung der Fütterungen auch während der Notzeiten sind also ohne Frage angebracht.
Zusammenfassend sind also nicht nur das regelmäßige Füttern, die Wahl des richtigen Standorts und Ruhe in Einständen/reduzierter Jagddruck wichtig sondern auch die Darreichungsform des Futters, die Nährstoffbestandteile, die Qualität und logischerweise auch die Hygiene. Eine Wahl aus den kombinierten Saft-, Kraft- und Rau-/erhaltungsfuttern kann dabei den gewünschten Effekt bringen und die Tiere ohne gesundheitliche Risiken durch die Notzeit bringen.